Finfluencer – Welche Bedeutung haben Financial Influencer für die neue Generation von Investoren?
10. März 2023
Ein Beitrag von Jan Müllner, Monika Kovarova-Simecek und Eloy Barrantes
Sie gelten als die neuen Geldflüsterer am Kapitalmarkt. Finfluencer haben sich auf Instagram & Co mittlerweile etabliert. Die größten Accounts im deutschsprachigen Raum kommen auf über 100.000 Follower. Die Bandbreite reicht dabei von prominenten Unternehmerpersönlichkeiten über Special-Interest-Formate bis hin zu zahlreichen Micro-Finfluencern. Die FH St. Pölten hat zusammen mit der Wiener Social Media Agentur Paradots die Rolle von Finfluencern auf Instagram nun erstmals untersucht. Dabei wurden 247 Follower nach ihren Motiven, Finfluencern zu folgen, befragt. Aber auch, welche Themen Finfluencer-Follower interessieren, wie sie den Einfluss der Finfluencer auf ihre Anlageentscheidungen einschätzen oder wie sie sich sonst über Investments informieren, waren Gegenstand der Erhebung. Die Teilnehmenden waren zwischen 18 und 34 Jahren alt, überwiegend männlich und stark investmentaffin: Fast alle (92%) investierten in mindesten zwei Anlageklassen, wobei Aktienfonds/ETFs (93%) und Einzelaktien (91%) für die jüngere Generation an Investoren am attraktivsten sind, gefolgt von Kryptowährungen (71%).
Warum folgen jüngere Investoren Finfluencern auf Instagram?
Finfluencer sind für die Befragten eine wichtige Informationsquelle über Finanzen (76% Zustimmung) und gelten auch als Quelle für neues Wissen (72% Zustimmung). Die Mehrheit der Befragten folgt Finfluencern aber auch deshalb, weil sie ihren Content unterhaltsam findet (66% Zustimmung). Die Suche nach Empfehlungen für neue Aktien ist dagegen selten ein Motiv für das Folgen (19% Zustimmung). Über 85% der befragten Follower folgen übrigens nicht nur einem, sondern mehr als drei Finfluencer – allein auf Instagram.
Finanzen und Unterhaltung
Finfluencer sind für die klare Mehrheit der Befragten ein einfacher Weg, Finanzthemen bequem in den eigenen Medienkonsum einzubauen (81% Zustimmung). Zwar sind die Follower nach eigenen Angaben primär an Informationen zu Aktien (84%), Analysen (79%) und allgemeinen Finanztipps (77%) interessiert, direkt danach folgen aber unterhaltsame Inhalte (69%), persönliche Geschichten der Finfluencer (64%) oder auch Memes (55%). Finfluencing ist also eine Form des Infotainments. Auch visuell und technisch bewegen sich die meisten Finfluencer am Puls der aktuellen Instagram-Trends und holen damit Follower ab.
Gefangen in der Finfluencer-Bubble?
Welchen Einfluss haben Finfluencer aber tatsächlich auf die Anlage-Entscheidungen ihrer jungen Follower? Etwa die Hälfte der befragten Follower hat schon einmal aufgrund einer Finfluencer-Empfehlung ein Investment getätigt (49%). Für die Mehrheit dieser Gruppe war dabei die sachliche Analyse des Investments besonders entscheidend (93% Relevanz). 74% geben aber auch an, dass die Finfluencerin bzw. der Finfluencer sie überzeugt hat. Nach Selbsteinschätzung hatten die Finfluencer überwiegend einen leichten (53%) oder einen mittleren Einfluss (43%) auf die Investitionsentscheidung. Nur 3% geben an, dass Finfluencer auf sie einen starken Einfluss hätten.
Die Befürchtung, dass sich junge Investoren und Investorinnen auf Social Media nur noch in einer „Finfluencer-Bubble“ bewegen, wird in unserer Studie nicht bestätigt. Neben den Profilen von Finfluencern folgt die Mehrheit der Befragten beispielsweise auch klassischen Finanzmedien auf Instagram. Im Ranking der wichtigsten Informationsquellen belegen außerdem Finanzportale und Online-Geschäftsberichte die ersten Plätze vor Social Media. Zwar ist die Priorisierung von Online-Medien in den Ergebnissen deutlich zu sehen, was wenig überraschend ist und dem generellen Medienverhalten der Digital und Social Media Natives entspricht (warum sollte es bei Finanzthemen auch plötzlich anders sein), jedoch ist auch die Vielfalt der Quellen sichtbar, die von den jüngeren Investorinnen und Investoren rezipiert werden. Neben den bereits Genannten spielen für die 18- bis 34-jährigen auch Corporate und IR-Websites, Bücher, Podcasts, Hauptversammlungen, Zeitungen, Blogs oder Newsletter durchaus eine Rolle. Eine große Bedeutung spielt aber das persönliche Umfeld – Familie, Freunde und Kollegen.
Warum investierst Du am Kapitalmarkt?
Eine Erkenntnis der Studie ist auch, dass so manches Vorurteil gegenüber den jüngeren Generationen eben nur ein Vorurteil ist. Junge Investorinnen und Investoren werden oft als besonders kurzentschlossen und risikoaffin angesehen. Die Ergebnisse zeigen allerdings ein anderes Bild. Die befragten Follower sind überdurchschnittlich gebildet, sehr interessiert am Kapitalmarkt und Investments, sie nutzen unterschiedliche Informationsquellen und verfolgen langfristige Anlageziele. Im Vordergrund stehen nicht kurzfristige Renditen und die Hoffnung auf schnellen Reichtum, sondern der langfristige Vermögensaufbau (99% Relevanz), die private Altersvorsorge (92% Relevanz) sowie die finanzielle Unabhängigkeit (88% Relevanz).
Take-Aways für die Investor Relations
Finfluencer stellen zu Investor Relations also keine Konkurrenz oder gar Alternative dar. Aus der Perspektive ihrer investmentinteressierten Follower sind sie vielmehr eine weitere Informationsquelle über neueste Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt. Durch ihre Reichweiten sind sie in der Zwischenzeit aber zu durchaus relevanten Intermediären avanciert und in ihrer Wirkung als Meinungsführer und Multiplikatoren mit zumindest einer gewissen Deutungshoheit über einzelne Aktien nicht zu unterschätzen. Darauf sind die meisten Unternehmen noch nicht eingestellt. Finfluencer sind bei den meisten Konzernen keine Zielgruppe der Investor Relations. Hier wäre ein Umdenken und die bewusste Auseinandersetzung mit Finfluencern als neuen IR-Stakeholdern sinnvoll. Künftig wird auch in der IR eine Form von Influencer Relations (Finfluencer Relations) etabliert werden müssen.
Unternehmen werden sich aber auch überlegen müssen, wie sie direkt die jüngeren Investorinnen und Investoren erreichen können. Was uns Finfluencer mit Bravour vorzeigen – und was die IR von Finfluencern lernen kann – ist digitale Content Creation: Wie können spannende Investoren-Themen identifiziert werden? Wir kann Content für Social Media inhaltlich gut aufbereitet und möglichst attraktiv vermittelt werden? Wie kann Social Media effektiv genutzt werden, um die Aufmerksamkeit der Investoren und Investorinnen zu wecken und ihr Interesse, die IR-Website zu besuchen.
Warnungen vor Finfluencern
An dieser Stelle werden sich vermutlich IR-Managerinnen und -Manager fragen, ob und welche Finfluencer bedenklich und welche seriös sind. Tatsächlich hat die wachsende Bedeutung von Finfluencern in den letzten Jahren auch Finanzbehörden alarmiert. Häufig würden Finfluencer intransparent agieren und dabei risikoreiche Investments empfehlen. Die Sorge ist nicht unberechtigt, eine einseitige Verteufelung von Finfluencern aber dennoch nicht angebracht. Es gibt zahlreiche Finfluencer, die Social Media verantwortungsbewusst und transparent nutzen und dabei auch konsequent auf mögliche Risiken hinweisen. Schlechten Rat gab es schon immer, lange vor dem Social Media Zeitalter. Insofern bleibt auch mit der steigenden Relevanz von Instagram & Co. nur gute Finanz-Bildung der beste Schutz.
Die Ergebnisse der Studie können auch online unter https://digital-investor-relations.com/finfluencer.html eingesehen werden.
Zur Studie
Für die Studie „Finfluencer: Wie Finanz-Influencer*innen das Informations- und Investitionsverhalten junger Anleger*innen beeinflussen?“ der FH St. Pölten wurden die Follower*innen deutschsprachiger Finfluencer*innen auf Instagram befragt. Zwischen August und Oktober 2022 beteiligten sich insgesamt 300 Follower*innen an der nicht-repräsentativen Befragung (247 gültige Datensätze). Die Teilnehmenden waren zwischen 18 und 34 Jahre alt (Durchschnittsalter: 27), überwiegend männlich (87%), höher gebildet (34% mit Matura/Abitur und 48% mit Hochschulabschluss) und hoch investmentaffin: Fast alle Teilnehmenden (92%) investierten in mindesten zwei Anlageklassen. Sehr gefragt waren beispielsweise Aktienfonds/ETFs (98%), Einzelaktien (91%) sowie Kryptowährungen (71%). Außerdem spielen Social Media – und konkret Instagram – in der Mediennutzung eine zentrale Rolle: 85% der Teilnehmenden verbringen mindestens eine Stunde täglich auf Instagram – davon 31% sogar mehr als zwei Stunden. Die klare Mehrheit der Befragten nutzt die App dabei „alle paar Stunden“ (65%).
Die vollständige Studie erhalten Sie auf Anfrage an work@paradots.com kostenlos als PDF.