Apps in der modernen IR-Kommunikation: Sinnvolle Ergänzung oder unnötiger Aufwandstreiber?

Mobile Apps sind aus der zeitgemäßen Unternehmenskommunikation nicht mehr wegzudenken. Betrachtet man die Angebote im Bereich Investor Relations (IR), so findet man allerdings in vielen Fällen nur reine Websitekopien in den App Stores. Mit der Ambition, einen tatsächlichen Mehrwert für Nutzende zu schaffen, bietet das IR-Team der Uniper SE mit „Energy.Uniper“ bereits seit August 2020 eine kostenfreie App für die Plattformen iOS sowie Android an, die aktuellste Energiemarktdaten, Benchmarks und Investoreninformationen dauerhaft mobil verfügbar macht. Trotz seiner speziellen Ausrichtung findet das Konzept mit bereits rund 1.500 Downloads und bestmöglichen Bewertungen1 in den App-Stores seit Veröffentlichung vergleichsweise hohen Anklang. Über die Hintergründe und unsere „Lessons Learned“ berichten wir in diesem Blog-Eintrag.

Zunehmende Relevanz von mobilen Apps

Ob im beruflichen oder privaten Kontext, das Smartphone und mit ihm auch mobile Apps haben sich in den vergangenen Jahren zu einem elementaren Bestandteil unseres Zusammenlebens entwickelt. So wurden im Jahr 2020 weltweit durchschnittlich 4,2 Stunden täglich an Android-Smartphones verbracht, ein Wachstum gegenüber dem Vorjahr um 20%.2 Dazu passend schätzte das Marktforschungsunternehmen „eMarketer“ für 2020, dass auf dem amerikanischen Markt rund 88% der Zeit im mobilen Internet in Apps verbracht wird.3 Vor diesem Hintergrund erscheint es kaum verwunderlich, dass Apps zu den relevantesten modernen Kommunikationskanälen eines Unternehmens zählen und damit auch verstärkt in den Fokus von IR-Abteilungen gerückt sind. Zwangsläufig stellt sich dabei die Frage, ob ein weiteres pflege- und kostenintensives Marketinginstrument tatsächlich erforderlich ist und welchen Mehrwert dieses bieten kann bzw. soll.

„Energy.Uniper“ im Überblick

„Energy.Uniper“ wurde im Rahmen einer Digitalisierungsinitiative im CFO-Resort unter Leitung des Uniper IR-Teams ins Leben gerufen. Im Mittelpunkt des Projekts stand stets die Ambition, keine statische Kopie der Unternehmenshomepage zu schaffen. Als primäre Zielgruppen wurden Mitarbeitende sowie aktuelle und künftige Aktionär_innen ausgemacht. Es war aber von Anfang an klar, dass keine „Uniper-spezifische“ App entstehen sollte. Vielmehr war es das Ziel, mit der App auch denen einen Mehrwert zu liefern, die sich lediglich für den Energiemarkt im Allgemeinen, aber nicht für Uniper im Speziellen interessieren. Dabei sollten die Informationsangebote der App die Kernkompetenzen von Uniper hervorheben und einen Anreiz zur regelmäßigen Nutzung bieten.

Die „Energy.Uniper“-App konzentriert sich auf die folgenden inhaltlichen Schwerpunkte:

  1. Energiemarktdaten: Zugang zu üblicherweise nicht frei verfügbaren Energiemarktinformationen wie Entwicklung von Strom- und Rohstoffpreisen oder Spot-Wechselkursen.
  2. Tägliche Energiemarktnews – „European Utilities: Watt Matters Newsletter“, bereitgestellt durch Bloomberg Intelligence.
  3. Finanzinformationen: Aktienkursentwicklungen und Konsensusdaten von Uniper kombiniert mit Vergleichswerten von Wettbewerbern, einschließlich Verlinkung zu Unipers Finanzberichten und Präsentationen.
  4. Zugriff auf allgemeine Unternehmensinformationen, Pressemitteilungen, Meldungen auf Social-Media-Kanälen (bspw. Twitter, LinkedIn) sowie bevorstehende Events. Push-Benachrichtigungen informieren Nutzende unmittelbar bei relevanten Neuigkeiten.

Der Entwicklungsprozess aus IR-Perspektive

Dem Sprichwort „Gut Ding braucht Weile“ folgend sollte der Entwicklungsaufwand selbst für eine vermeintlich kleine App nicht unterschätzt werden. In unserem Fallbeispiel konnten wir bereits auf eine bestehende interne App aufbauen, was vor allem beim Design der Datenschnittstellen für Energiemarktdaten wie Strompreise etc. sehr hilfreich war. Nichtsdestotrotz hat unser multidisziplinäres Projektteam von der ersten Idee über Implementierung und Testing bis hin zum endgültigen Release der ersten Version rund 20 Monate benötigt. Entlang des gesamten Prozesses fanden regelmäßige Abstimmungsrunden mit den involvierten Abteilungen statt, darunter bspw. „Data Design and Delivery“ zur Gewährleistung einer möglichst automatisierten Einbindung in die (bestehenden) Datenstrukturen oder dem IT-Projektmanagement für die Koordination der Programmierungsarbeiten. Zwangsläufig stellt die IT dabei den wohl relevantesten Stakeholder dar. Besondere Bedeutung kommt in diesem Rahmen dem Datenmodell zu, das nach klaren Vorgaben des IR-Teams erstellt wurde. Hier waren auch rechtliche Themen zu klären, also vor allem welche Daten kostenlos extern bereitgestellt werden dürfen.

Da wir als IR-Team für die weitergehende Betreuung der App verantwortlich sind, war es uns ein besonderes Anliegen, vor allem den Mehraufwand für die erforderliche Datenpflege möglichst gering zu halten. Als Ergebnis wurde, aufsetzend auf bestehenden Strukturen, ein zusätzliches Content-Management-Backend geschaffen, in dem über simple Dropdown-Menüs (derzeit) manuell hinterlegte Informationen wie bspw. zum Konsensus oder Events angepasst werden können. Bedingt durch das intuitiv bedienbare Adminportal sind Einarbeitungszeiten kaum vorhanden, der Pflegeaufwand beschränkt sich auf ca. eine Stunde in zwei Wochen.

Als Beispiel dafür, wie verschiedene Datenquellen möglichst automatisiert in diesem Projekt einfließen, möchten wir hier noch kurz auf unsere jüngste Neuerung von Ende Mai 2021 eingehen. Mit der Integration des „Bloomberg Intelligence European Utilities Newsletter“ wurde ein weiterer zentraler Anreizfaktor für eine regelmäßige Nutzerinteraktion ergänzt. Die täglich als E-Mail eingehenden Newsletter werden dabei automatisch nach Erhalt geparsed (softwarebasierte Datenanalyse/-aufbereitung) und an das für die App erforderliche Layout angepasst. Das flexible Backend-Design ermöglicht es uns, die App mit solchen Elementen ohne neue Releases modular zu erweitern. Zukünftige Aktualisierungen sollen sich unter anderem dem Nutzerkomfort mit Themen wie individualisierbaren Benachrichtigungseinstellungen widmen.

Bildbeschreibung: Exemplarische Benutzeroberfläche im CMS-Backend von „Energy.Uniper“

Unser Fazit

Angesichts der äußerst individuellen Natur dieser Thematik lässt sich an dieser Stelle nur schwer eine allgemeingültige Antwort auf die zugrundeliegende Ausgangsfrage geben. In unserem Anwendungsfall hat sich die Einführung einer App jedoch unzweifelhaft als sinnvolle Ergänzung im Portfolio der IR-Arbeit dargestellt, wie uns zahlreiche positive Reaktionen von Mitarbeitenden, Analysten und sogar anderen Energieunternehmen bestätigen. Der damit einhergehende Aufwand für Implementierung sowie nachgelagerte Pflege bzw. Weiterentwicklung ist dabei zu berücksichtigen, auch wenn sich der laufende Aufwand in Grenzen hält.

Abschließend fassen wir noch einmal unsere zentralen Erfahrungen zusammen:

  1. Mehrwert generieren: Um eine dauerhafte Interaktion zu gewährleisten, sollte die App einen tatsächlichen Mehrwert im Kontext des individuellen Anwendungsszenarios bieten und nicht als reines Spiegelbild bestehender IR-Produkte fungieren.
  2. Zielgruppe breit anlegen: Uns war es wichtig, ein Produkt zu haben, das gleichermaßen für Brancheninteressierte als auch Uniper-Stakeholder relevant ist und sich nicht nur auf eine der zwei Gruppen beschränkt.
  3. Projekte sind Teamwork: Selbst mit sorgfältigster Planung hält ein solches Vorhaben oftmals zahlreiche Überraschungen, Verschiebungen und andere Probleme bereit. Daher hat es sich im Sinne eines stimmigen Endergebnisses für uns bewährt, die erforderlichen Stakeholder kontinuierlich einzubinden sowie mit klaren Zielvorgaben zu versorgen.
  4. Klares Zielbild formulieren: Um einen möglichst effizienten Prozess zu gewährleisten, sollten grundlegende technische und betriebswirtschaftliche Aspekte des Vorhabens wie bspw. Inhalte, Struktur oder auch die zu bedienenden Endgeräte bereits im Vorfeld soweit möglich fixiert werden. So führt exemplarisch die stark ausgeprägte Heterogenität im Android-Segment (diverse Hersteller mit unterschiedlichen Softwareanpassungen und Modellvarianten) zu weitaus mehr Komplexität, als wenn sich das Projekt lediglich auf iOS-Geräte beschränkt. In unserem Beispiel hat sich nach Veröffentlichung schnell gezeigt, dass nur ein geringer Anteil der Nutzerzahlen auf Android-Geräte entfällt.
  5. Einsatz agiler Methoden: Ein flexibel aufgebauter, iterativer Entwicklungsprozess ermöglicht unter anderem durch sogenannte Sprints (vordefinierte Entwicklungszyklen von bspw. einem Monat) die Bereitstellung funktionsfähiger Releases in kurzen Abständen. Fehler bzw. weiterer Anpassungsbedarf konnten durch diesen nutzerorientierten Ansatz somit schon frühzeitig identifiziert werden.
  6. Feedback einholen (Testing): Interne und externe Testende haben im Laufe der Entwicklung wertvolle Impulse zu Themen wie Menüführung und Inhalten auf verschiedenen Endgeräten beigesteuert. Gängige Entwicklungsumgebungen bieten dafür zahlreiche technische Möglichkeiten.

Und sollten Sie nach diesem Artikel neugierig geworden sein: Probieren Sie die App gerne auf einem Endgerät Ihrer Wahl aus (iOS / Android) und lassen Sie uns wissen, was sie davon halten! Mit Ihrem Feedback können wir das Produkt künftig noch besser machen. Natürlich stehen wir auch gerne für einen Erfahrungsaustausch zur Verfügung.

Quellenangaben:

  1. Apple App Store (2021): Energy.Uniper, Link, Abruf am 26.05.2021.
  2. App Annie (2021): State of Mobile 2021, San Francisco 2021; Plattform Android.
  3. eMarketer (2020): The Majority of Americans’ Mobile Time Spent Takes Place in Apps, Link, Abruf am 26.05.2021.