Unwirksame Stimmrechtsvertretung durch Dienstleister
19. September 2013
Themengebiet | ESG (inkl. Nachhaltigkeit & Governance) |
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Publikationsform | Externe Publikationen |
Urteil des OLG Hamm vom 08.02.2013 - I-8 U 270/11
Bedeutung für IR
Insofern ein HV-Dienstleister beauftragt wird und deren Vorstandsmitglieder und/oder Angestellten als Stimmrechtsvertreter benannt werden sollen, muss geprüft werden, ob diese als geschäftsmäßige Stimmrechtsvertreter zu beurteilen sind. Andernfalls kann deren Beteiligung zu unwirksamen HV-Beschlüssen führen, wenn sie als Legitimationsaktionäre auftreten.
Diese Frage stellt sich folglich nicht, wenn die Stimmrechtsvertreter ordnungsgemäß bevollmächtigt werden.
Zu beobachten bleibt, ob das Urteil der Revision standhält. Bisher ist es nicht rechtskräftig. Das Revisionsverfahren wurde allerdings aufgrund der Insolvenz der Klägerin unterbrochen. Sein Abschluss wird sich daher noch verzögern.
Fall
Auf einer HV einer AG waren mehrere Beschlüsse zu fassen.
Die AG bediente sich zur Organisation dieser HV – wie schon des Öfteren – eines bestimmten, professionellen HV-Dienstleisters, deren Vorstandsmitglied von der AG als Stimmrechtsvertreter benannt wurde. An der HV nahmen daher das einzige Vorstandsmitglied des HV-Dienstleisters und zwei seiner Angestellten teil, die jeweils die abwesenden Aktionäre als Bevollmächtigte oder als Legitimationsaktionäre vertraten, wobei sie nicht als Legitimationsaktionäre im Aktienregister eingetragen waren.
Das Vorstandsmitlied vertrat allein 3.771.130 Stimmen als Legitimationsaktionär. Insgesamt waren 11.760.723 vertreten. Jeweils gab die Beteiligung des Vorstandsmitglieds als Legitimationsaktionärs den Ausschlag, dh. hätte er nicht abgestimmt, wäre die jeweilige Wahl umgekehrt ausgefallen.
So wurde beispielsweise ein Antrag mit 6.318.376 Nein-Stimmen gegenüber 5.122.387 Ja-Stimmen abgelehnt. Ohne die Beteiligung des Vorstandsmitglieds wäre der Antrag mit 5.122.387 Ja-Stimmen gegenüber 2.547.246 Nein-Stimmen angenommen worden.
Das OLG Hamm entschied, dass das Vorstandsmitglied des HV-Dienstleisters als sog. geschäftsmäßiger Stimmrechtsvertreter zu beurteilen ist. Geschäftsmäßige Stimmrechtsvertreter können allerdings als Legitimationsaktionäre in der Hauptversammlung ihre Stimmen allenfalls dann wirksam abgeben, wenn sie im Aktienregister eingetragen sind (vgl. zu den weiteren Voraussetzungen § 135 Abs. 6 AktG).
Die jeweiligen Beschlüsse sind für nichtig zu erklären, weil die fälschliche Stimmabgabe das Ergebnis entscheidend beeinflusste.
Hintergrund
Grundsätzlich ist die Abgabe einer Stimme in der Hauptversammlung durch einen Legitimationsaktionär zulässig, auch wenn er nicht im Aktienregister, sondern nur im Teilnehmerverzeichnis der Hauptversammlung eingetragen ist. Das gilt allerdings nicht für Kreditinstitute, Aktionärsvereinigungen und geschäftsmäßige Stimmrechtsvertreter gemäß § 135 Abs. 6 und 8 AktG. Diese können maximal als Legitimationsaktionäre für Namensaktionäre in der Hauptversammlung auftreten, wenn sie für diese im Aktienregister eingetragen sind, vgl. § 135 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 Satz 1 und 8 AktG. Insofern Sie das nicht sind, bedarf es einer gesonderten Vollmacht.
Als geschäftsmäßiger Stimmrechtsvertreter wird beurteilt, wer sich geschäftsmäßig gegenüber Aktionären zur Ausübung des Stimmrechts in der HV anbietet. Geschäftsmäßiges Erbieten setzt voraus, „dass die betreffende Person beabsichtigt, sich wiederholt […] als Stimmrechtsvertreter zu betätigen und hierfür gegenüber den Aktionären zu werben“. Da es zu der gewöhnlichen Dienstleistung des HV-Dienstleisters gehörte, die Stimmrechtsvertretung anzubieten, beurteilte das OLG Hamm das Vorstandsmitglied als geschäftsmäßigen Stimmrechtsvertreter.
Dass es sich bei diesem Stimmrechtsvertreter um den von der AG, deren HV stattfand, benannten Stimmrechtsvertreter handelt, könne auch zu keinem anderen Ergebnis führen. Gerade weil das Vorstandsmitglied des HV-Dienstleisters eher geneigt ist im Sinne der AG abzustimmen, soll er es für abwesende Aktionäre nur tun können, wenn er dazu bevollmächtigt wurde. Dann nämlich greifen die speziellen Anforderungen des § 135 AktG an die Vollmachtserteilung (bspw. ausdrückliche Weisungen).
Eine Ausnahme gibt es nur für Legitimationsaktionäre, die für Namensaktionäre im Aktienregister eingetragen sind. Diese brauchen allerdings auch eine spezielle Ermächtigung, an die vergleichbaren Anforderungen wie an die Bevollmächtigung gestellt werden (§ 135 Abs. 6 AktG).
Aufgeworfen aber nicht entschieden wurde vom OLG Hamm die Frage, ob auch ein Mitglied der AG, wenn es als Stimmrechtsvertreter benannt wird, geschäftsmäßiger Stimmrechtsvertreter sein kann. Ein entsprechendes Urteil bleibt abzuwarten. Allerdings deutet die Begründung, eine Interessenskollission aufgrund besonderer Nähe zum Unternehmen zu vermeiden, erst mal darauf hin. Ob die „Geschäftsmäßigkeit“ hierbei zu bejahen ist, hängt auch davon ab, ob eine weitere Voraussetzung ist, dass der jeweilige Stimmrechtsvertreter seine Leistung nur gegen Entgelt anbietet. Das aber hat das OLG Hamm ausdrücklich offen gelassen.
Fundstelle